Übernahmegründung: Der unterschätzte Weg zur Selbstständigkeit
Impulse, Einsichten und Optimismus bei gemeinsamer Veranstaltung von VBKI, HWR Berlin, Wirtschaftsrat 1. FC Union e.V. und Nachfolgezentrale Berlin
Text: Annette Kusche | Referentin für Politische Grundsatzfragen
Wie lässt sich Unternehmertum neu denken – jenseits der klassischen Neugründung? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Veranstaltung „Übernahmegründung: Der unterschätzte Weg zur Selbstständigkeit“, zu der der VBKI gemeinsam mit dem Wirtschaftsrat 1. FC Union e.V., der Nachfolgezentrale Berlin und dem EMF-Institut der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) eingeladen hatte. Rund 200 Gäste, darunter zahlreiche Studierende, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Vertreter aus Politik und Wirtschaft, kamen am 16. Oktober in die Aula der HWR Berlin-Schöneberg.
Unternehmertum weiterdenken
Nach der Begrüßung durch HWR-Präsident Prof. Dr. Jens Hermsdorf, der auf die enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis an seiner Hochschule verwies – mehr als die Hälfte der 2.500 Studierenden absolvieren ein duales Studium –, eröffnete Prof. Dr. Jörg K. Ritter, Präsidiumsmitglied des VBKI, den Abend und führte in die Thematik ein, für ihn ist klar: „Die Übernahmegründung ist ein unterschätzter, aber hoch wirksamer Weg, um Unternehmertum zu sichern und weiterzuentwickeln“, betonte Ritter.
Zahlen, Chancen und Potenziale
In seinem Impuls hob Michael Biel, Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, die wirtschaftspolitische Bedeutung des Themas hervor: In Berlin gibt es aktuell 8.500 übergabewillige Unternehmen, bundesweit sind es 772.000 Unternehmen, jährlich gibt es rund 38.500 Neugründungen – Tendenz steigend. Für das kommende Jahr wird ein Wachstum der Neugründungen von bis zu sechs Prozent prognostiziert. „Wir müssen Übernahmegründungen stärker fördern und bekannter machen – sie sichern Arbeitsplätze, erhalten Know-how und sichern den Wirtschaftsstandort“, so Biel.





Trotz angespannter Haushaltslage seien im Doppelhaushalt 2026/27 Mittel für die Weiterführung und personelle Stärkung der Programme zur Unternehmensnachfolge vorgesehen. Ein besonderer Fokus liege auf der Förderung von Gründerinnen, die bislang noch unterrepräsentiert sind.
„Gründen ist sexy – Nachfolge ist wirksam“
Prof. Dr. Birgit Felden, Direktorin des EMF-Instituts der HWR Berlin, gab Einblicke aus Forschung und Lehre. Sie verglich die Neugründung mit dem „Kauf eines Ackergrundstücks“, während eine Übernahmegründung „eher einem gepflegten Schrebergarten“ gleiche: „Hier gibt es Strukturen, Erfahrungen und Potenziale, die mit frischen Ideen weiterentwickelt werden können.“ Dennoch bleibe die Neugründung oft das glamourösere Modell. Felden warnte: „80 Prozent der Neugründungen schließen in den ersten drei Jahren – die Übernahmegründung ist meist nachhaltiger und erfolgreicher.“
Erfahrungen aus der Praxis
In der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Prof. Dr. Jörg K. Ritter, berichteten Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Praxis.
Daniel Heidrich, geschäftsführender Inhaber der EBK Krüger GmbH & Co. KG, plädierte für mehr Mut und Eigenverantwortung in der jüngeren Generation: „Ich hatte nichts zu verlieren – entscheidend ist, sich immer wieder zu fragen: Tun wir das Richtige, und tun wir es richtig?“
Dirk Nasner und Nicholas Stephens, geschäftsführende Gesellschafter der S&F Innotech GmbH, erzählten von einer erfolgreichen Übergabe, die zur Freundschaft wurde. „Vertrauen, Geduld und Loslassen sind die Basis für jede gelungene Nachfolge“, so Nasner.
Helene Andreas, Board Member der Entrepreneurs’ Organization, wies auf die Bedeutung von Passung und Chemie hin: „Die Beziehung zwischen Übergeber und Nachfolger entscheidet über Erfolg oder Scheitern.“
Dr. Christian Schuchardt von der Nachfolgezentrale Berlin ergänzte: Über 1.100 Nachfolgesuchende stehen derzeit rund 300 übergabewilligen Firmeninhabern gegenüber – 150 konkrete Fälle befinden sich aktuell in Prüfung. „Es braucht mehr Sichtbarkeit und Austausch, um die richtigen Partner zusammenzubringen.“
Optimismus und nächste Schritte
Im Resümee hob Christof Alois Sagasser, Mitglied im Wirtschaftsrat 1. FC Union e.V., die inspirierende Mischung aus Praxis und Perspektive hervor: „Unternehmen sind da – ihr Potenzial muss erhalten und weitergepflegt werden. Entscheidend ist, dass die menschliche Chemie stimmt.“
Zum Abschluss kündigte Ute Weiland, Geschäftsführerin des VBKI, an, dass das Thema weiterverfolgt werde – unter anderem mit einem innovativen Veranstaltungsformat: einer „Blind Match Party“, bei der sich potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger in entspannter Atmosphäre kennenlernen können.
Mit Optimismus, konkreten Ideen und zahlreichen neuen Kontakten endete ein Abend, der gezeigt hat: Die Übernahmegründung ist kein Nebenschauplatz – sondern ein zentraler Baustein für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Berlin.




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