„Die gute Nachricht ist: Die Not ist erkannt“
Business Breakfast: Berlins Finanzsenator Stefan Evers im Gespräch mit dem VBKI
Philipp Zettl | Referent Politische Grundsatzfragen
Die Finanzlage der Kommunen in Deutschland spitzt sich zu – Berlin ist da keine Ausnahme. Beim Business Breakfast des VBKI sprach Finanzsenator Stefan Evers offen über die dramatische Entwicklung der öffentlichen Haushalte und den wachsenden Reformdruck. Moderiert wurde die Veranstaltung von VBKI-Präsident Markus Voigt, der mit Evers sowie dem Publikum über Lösungswege zwischen Schuldenbremse, Investitionsstau und Verwaltungsreform diskutierte.
Bereits in seinem Impulsvortrag machte Evers deutlich: Die Herausforderungen sind massiv – und haben sich über Jahre aufgebaut. Zwar reagierte die Politik auf Krisen wie Corona und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine schnell und entschlossen – dafür lobte Evers ausdrücklich die damals regierenden Parteien. Doch die damit verbundenen Sonderausgaben, kombiniert mit langfristig steigenden Transferleistungen etwa durch den demografischen Wandel, haben die Haushalte zunehmend aus dem Gleichgewicht gebracht. „Wir haben es mit einem Allmählichkeitschaden zu tun“, so Evers – die strukturellen Konsequenzen seien viel zu spät erkannt worden – oder wollten nicht gesehen werden. Während der Berliner Koalitionsverhandlungen hätten die Finanzen keine zentrale Rolle gespielt, das Mindset war ein anderes zu dieser Zeit, berichtete der Finanzsenator selbstkritisch.



Dabei sind die Zahlen dramatisch: 2022 erzielten die Gemeinden in Deutschland zusammengerechnet noch einen Überschuss, 2023 lag das Defizit bereits bei neun Milliarden Euro, 2024 standen 25 Milliarden Euro Verlust zu Buche. „Alle stehen mit dem Rücken zur Wand.“ Besonders alarmierend sei, dass der Bürger auf kommunaler Ebene als erstes spürt, ob der Staat noch funktioniert – bei der Kita, der Schule oder dem Bürgeramt. Doch genau diese Ebene sei nun besonders bedroht in ihrer Handlungsfähigkeit – und damit das Vertrauen der Bürger in ihren Staat.
Berlin müsse sich angesichts dieser Lage von liebgewonnenen Sonderwegen verabschieden: „Wir sind einer von vielen – wir sparen dieses Jahr drei Milliarden Euro. Du trotzdem steigen die Ausgaben.“ Besonders kritisch sieht Evers die Verlagerung von Bundesausgaben auf die Länder – etwa durch steuerliche Entlastungen, die ohne Gegenfinanzierung kommunale Einnahmen schmälern. Zwar wolle der Bund diese nun ausgleichen, „aber strukturell ist damit nichts gewonnen“. Vielmehr müssten langfristige Entlastungen und Investitionen in die Zukunft möglich gemacht werden – etwa über Sondervermögen oder neue Schuldenregeln für Länder und Kommunen. In Berlin sollen nun 5,2 Milliarden Euro aus dem 100-Milliarden-Infrastrukturfonds des Bundes genutzt werden – eine Summe, die laut Evers „entscheidend dafür ist, dass wir zentrale Investitionen überhaupt noch tätigen können“.
Ein weiteres Kernanliegen des Senators: der Bürokratieabbau. Die Regeldichte in Deutschland sei inzwischen so komplex, dass selbst Fachleute oft nicht mehr durchblickten. Das schade der Wettbewerbsfähigkeit und blockiere notwendige Erneuerungen. „Wenn wir so weitermachen, bricht das alles über uns zusammen“, warnte Evers und plädierte für einen Rückbau von Standards, wo immer dies möglich sei.
In der anschließenden Diskussion unterstrich Moderator Markus Voigt die Kluft zwischen Regierungshandeln und öffentlicher Wahrnehmung: „Die Arbeit des Senats ist besser als sein Image.“ Als Beispiel nannte er die Verwaltungsreform – laut Voigt ein „Meisterwerk“, das aber kaum zu mehr Zustimmung in der Bevölkerung geführt habe. Evers pflichtete ihm bei, betonte jedoch, dass Meinungsbildung nicht allein über Medien funktioniere. „Wir reden lieber über Aufreger als über Erfolge. Das müssen wir ändern – gemeinsam.“
Deutlich wurde an diesem Morgen: Die politischen und finanziellen Spielräume in Berlin sind eng. Umso wichtiger sind jetzt eine ehrliche Priorisierung und ein struktureller Kurswechsel. Dass der Finanzsenator diesen Reformwillen offensiv einfordert, ist ein wichtiges Signal. Denn wie Evers sagte: „Die gute Nachricht ist: Die Not ist erkannt.“ Jetzt muss gehandelt werden – bevor es wirklich zu spät ist.
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