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09.07.25

„Made in Germany muss Benchmark bleiben“

„Made in Germany muss Benchmark bleiben“

Business Breakfast: Grünen-Chefin Dr. Franziska Brantner beim VBKI

Text: Sebastian Thomas | Leiter Kommunikation und Marketing

Die Ampelkoalition ist Geschichte – auf die Bundestagswahl folgte der Wechsel zu einer schwarz-roten Bundesregierung. Für Bündnis 90/Die Grünen bedeutete das nicht nur den Gang in die Opposition, sondern auch einen personellen Neuanfang: Mit dem Rückzug von Robert Habeck und Annalena Baerbock endete eine prägende Ära. Seit Mitte November 2024 führt Dr. Franziska Brantner gemeinsam mit Felix Banaszak die Partei – beim Business Breakfast stand die Bundesvorsitzende Rede und Antwort.

Vor rund 80 Mitgliedern und Gästen des VBKI beschrieb Brantner die neue Rolle der Grünen in der Opposition: mit dem Anspruch, die Regierungspolitik kritisch-konstruktiv zu begleiten. Fundamentalopposition stärke nur die AfD.  Moderiert wurde das Gespräch von VBKI-Präsidiumsmitglied Dr. Kay Lindemann.

Zwischen Mütterrente und Milliarden: Kritik an der neuen Bundesregierung

Brantner ließ wenig Zweifel daran, dass sie mit dem politischen Kurs der neuen schwarz-roten Bundesregierung hadert – nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell. „Die Regierung lagert Verantwortung systematisch aus – in Kommissionen, Arbeitskreise und Verfahren, die selten zu Entscheidungen führen.“ Dabei mangele es an ordnungspolitischem Kompass und politischer Klarheit.

Besonders scharf kritisierte Brantner den Umgang mit dem sogenannten Sondervermögen für Transformation. Statt echter zusätzlicher Investitionen in Zukunftstechnologien würden Gelder in ohnehin geplante Maßnahmen umgeleitet. „Das macht mich wütend,“ so Brantner.

Ein weiteres Beispiel für verpasste Chancen: die Rentenreform, die unter der Ampel schon in Vorbereitung war. Eine kapitalgedeckte Komponente zur langfristigen Stabilisierung sei fast beschlussreif gewesen – nun komme stattdessen die „teure und rückwärtsgewandte Mütterrente.“

Reformdefizite und Strukturprobleme

Brantner sieht strukturelle Modernisierung als Kernaufgabe – gerade im Gesundheitssystem oder im Staatsaufbau. „Alle reden über mehr Geld – aber wir könnten in der gesetzlichen Krankenversicherung allein durch besseres Schnittstellenmanagement 20 Prozent sparen.“ Auch eine Reform des Föderalismus sei überfällig: Zuständigkeiten müssten neu geordnet, Innovationshemmnisse abgebaut werden.

Anders als von Moderator Dr. Kay Lindemann – „Glaubessätze über Bord geworfen“ – angedeutet, sieht Brantner die außen- und sicherheitspolitischen Positionen der Grünen nicht als Bruch mit der Vergangenheit, sondern als kontinuierliche Weiterentwicklung grüner Grundsätze – spätestens seit dem Kosovo-Krieg 1999. Die Unterstützung der Ukraine sei keine Abkehr von grünen Prinzipien, sondern eine logische Konsequenz einer Politik in der Tradition von Joschka Fischer. Im Übrigen habe sie schon 2014 davor gewarnt, zu sehr von russischem Gas abhängig zu werden,“ so Brantner.

Industriepolitik mit Augenmaß – und technologischer Weitsicht

Brantner plädierte für eine innovationsgetriebene Industriepolitik, die nicht in Subventionen versickert, sondern Wertschöpfung in Europa hält. Der Northvolt-Schiffbruch oder die Skepsis von Arcelor Mittal gegenüber grünem Wasserstoff zeigten, dass die Transformationspolitik neu gedacht werden müsse – aber ohne die Richtung zu verlieren. Die Stärkung der europäischen Widerstandsfähigkeit sei auch künftig ein großes Thema. Im Grunde sei immer wieder die doppelte Frage zu beantworten: Wie schaffen wir Wohlstand, der nicht den Planeten zerstört. Wie schaffen wir eine krisenfeste Wirtschaft?

Besonders wichtig sei die Sicherung technologischer Souveränität. „Ich mache mir Sorgen, dass wir in 10 bis 15 Jahren Cleantech-Technologien aus China importieren – wenn wir nicht jetzt handeln.“ Bei Geothermie, kleinen Elektrolyseuren und CCU-Technologien habe Deutschland noch Wettbewerbsvorteile – diese gelte es zu nutzen. Branter plädierte zudem für eine stärkerer Regulierung der Aktivitäten US-amerikanischer Tech-Giganten in Europa. Dabei müsse die Umsetzung aber auf Bundesebene geregelt werden, nicht auf Landesebene.

Auch digitale Infrastruktur war Thema: Rechenzentren seien Teil der energieintensiven Wirtschaft und sollten ebenfalls von der geplanten Senkung der Stromsteuer profitieren. Auch bei wachsendem Energiebedarf – etwa durch den Vormarsch der KI – sieht Brantner kein Problem für die Versorgungssicherheit in Deutschland. In diesem Punkt sei man in Deutschland deutlich besser aufgestellt als beispielsweise die USA.

Grüne Selbstkritik

Brantner sparte aber auch nicht mit Selbstkritik: Das Heizungsgesetz sei schlecht vorbereitet worden, Erfolge der Ampel hätten kaum öffentliche Aufmerksamkeit bekommen. Die gesellschaftliche „Ungleichzeitigkeit“ beim Klimaschutz bleibe ein kommunikatives wie politisches Problem. Rückblickend hätte man an der einen oder anderen Stelle flexibler sein und sich auch mal mit „Second-Best-Options“ zufriedengeben sollen. Allerdings sei es besorgniserregend, wie das Pendel bei Themen wie der Geschlechtergerechtigkeit oder dem Klimaschutz derzeit weltweit zurückschwinge und bereits erreichte Fortschritte zunichte gemacht würden. In der Opposition wollten die Grünen jedenfalls an ihrem Anspruch festhalten: „Wir sind nicht links, wir sind nicht rechts – wir sind vorn.“

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