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04.09.24

„Wir denken in Mobilitätsbedürfnissen und nicht in Landesgrenzen“

„Wir denken in Mobilitätsbedürfnissen und nicht in Landesgrenzen“

100 Tage im Amt: Verkehrssenatorin Ute Bonde im Gespräch

Interview: Sebastian Thomas | Leiter Kommunikation & Marketing

Sie ist das jüngste Gesicht im Berliner Senat: Seit Ende Mai gestaltet Ute Bonde als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt eines der konfliktträchtigsten und gleichzeitig besonders wichtigen Politikfelder der Stadt. In Zeiten knapper Kassen muss die ehemalige VBB-Chefin das Mobilitätssystem der Hauptstadtregion zukunftstauglich machen – und dabei nicht nur die Interessen aller Verkehrsteilnehmenden dies- und jenseits der Landesgrenzen berücksichtigen, sondern auch den Klimazielen Vorschub leisten. Wie soll das gelingen? Wir haben nachgefragt.

Frau Senatorin, die erste Frage dürfte eine Verkehrssenatorin nicht überraschen: Wie sind Sie heute zur Arbeit gekommenen?

Wie eigentlich jeden Morgen: mit der S-Bahn.

Mit Ihrem Amtsantritt Ende Mai haben Sie zum ersten Mal politische Verantwortung übernommen. Wie fällt Ihr erstes Fazit aus? Wo sind Ihre Erwartungen bestätigt worden, was hat Sie bei Ihren ersten Schritten auf ungewohntem Parkett überrascht? 

Verantwortung bleibt Verantwortung, egal unter welchem Vorzeichen. Also tue ich das, was ich schon immer getan habe: Ich stelle mich offen und ohne Vorurteile, mit durchaus kritischem Blick den Themen, lasse mich beraten, frage und hinterfrage und versuche dann zur für alle besten Lösung zu kommen. Und: Obwohl ich es natürlich geahnt habe, hat mich doch das öffentliche Interesse an meiner Person schon ein bisschen überrascht.

Ihre Vorschläge zu neuen ÖPNV-Finanzierungsquellen sind auf wenig Gegenliebe gestoßen – auch nicht in der eigenen Fraktion. Das gilt sowohl für die von Ihnen ins Feld geführte Unternehmensabgabe als auch für höhere Parkgebühren. Gleichzeitig muss auch Ihr Haus angesichts der schwierigen Haushaltslage den Gürtel enger schnallen. Wie lässt sich unter diesen Umständen der ÖPNV fit für die Zukunft machen?  

Lassen Sie mich das bitte richtigstellen: Das waren keine konkreten Vorschläge zur ÖPNV-Finanzierung. Das war ein Vorschlag, mal über den berühmten Tellerrand zu blicken. Nicht um alles kommentarlos zu übernehmen, sondern als Anregung eigene Ideen und Lösungen, vielleicht auch mal außerhalb der gewohnten Box zu finden und zu präsentieren.

„Wir müssen offen für neue Finanzierungsquellen im ÖPNV sein“

Ute Bonde |  Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt

Welche Rolle werden Public Private Partnerships spielen? 

Wir müssen aus meiner Sicht auch offen für neue Finanzierungsquellen im ÖPNV sein. Für mich passt zu Berlin aber nur, was auf der einen Seite möglichst wenige Eingriffe – sowohl bei den Bürgerinnen und Bürgern als auch bei den Unternehmen –bedeutet und was auf der anderen Seite dennoch sehr effektiv Lösungen ermöglicht.

Einflussreiche Positionen im Berliner ÖPNV sind gerade neu besetzt worden: Sie sind frisch im Amt, Ihre Nachfolge als VBB-Chefin noch nicht geklärt, auch Henrik Falk steht erst seit Anfang des Jahres an der Spitze der BVG. Eher Problem oder eher Chance? 

Eine Chance. Uns verbinden mit Sicherheit das Wissen und die jahrelangen Erfahrungen, wie wichtig ein gut funktionierender ÖPNV für das Miteinander in einer Großstadt ist.

Als Wirtschaftsvertreter denkt der VBKI in der Kategorie Metropolregion Berlin-Brandenburg – also grenzüberschreitend. Wo sehen Sie im Bereich Verkehr und Mobilität Verbesserungsbedarf in der Zusammenarbeit zwischen Berlin und Potsdam? 

Und da sind wir wieder, beim Blick über den Tellerrand. Ja, auch wir müssen und werden gemeinsam mit dem Land Brandenburg, dem VBB und den Verkehrsunternehmen die grenzübergreifenden Verkehrsangebote den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer anpassen. Hierzu sind wir mit dem Land Brandenburg in guten Gesprächen zu einem ÖPNV-Kooperationsabkommen. Wir denken in Mobilitätsbedürfnissen und nicht in Landesgrenzen. Denn je besser unsere Angebote sind, umso eher überzeugen wir die Menschen, immer öfter die umweltfreundlichen Busse und Bahnen zu nutzen.

Ist die Magnetschwebebahn ein Thema, das die beiden Bundesländer in ihrer Verkehrsplanung zusammenschweißen könnte? 

Gut denkbar. Denn was die Innenstadt angeht, stehen wir in Berlin ja wirklich gut da mit unseren Verkehrsangeboten. Anders sieht es häufig in den Randbezirken aus und bei den Verbindungen ins Umland. Zudem ist dort auch genug Platz für neue Trassen. Magnetschwebebahnen könnten also in Zukunft gerade auch für Pendlerinnen und Pendler eine praktische Alternative darstellen. Und, nicht zu vergessen: Sie können auch schnell, umweltfreundlich und leise dem Transport von Waren dienen.

Sie wollen die Berlinerinnen und Berliner mit Angeboten statt Verboten davon überzeugen, das Auto stehenzulassen und stattdessen Busse und Bahnen zu nutzen. An welchen drei Stellschrauben setzen Sie an, um den Nahverkehr so attraktiv zu machen, dass die Lockrufe nicht mehr überhört werden können? 

Mobilität ist ein wichtiges Bedürfnis der Menschen und gibt ihnen, gerade in unserer großflächigen Metropolregion, die Möglichkeit, an verschiedenen Standorten zu leben, zu arbeiten, zu lernen und die Freizeit zu genießen. Dazu müssen wir unseren fraglos heute schon guten ÖPNV weiter verbessern und noch besser den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden anpassen. Ein wichtiger Baustein dazu ist unser Gemeinschaftsprojekt i2030 zur Verbesserung der Schieneninfrastruktur in unserer Region. Und natürlich gehört dazu auf jeden Fall ein guter Takt bei Bussen und Bahnen und auch der weitere Ausbau der Tram-, S- und U-Bahnstrecken, kombiniert mit einem insbesondere für die Außenbezirke noch auszubauenden Netz an Rufbussen und guten Carsharing-Angeboten.  Um die Menschen zum Umsteigen zu motivieren, spielen zudem Themen wie Sauberkeit und Sicherheit eine wichtige Rolle.

Magnetschwebebahnen könnten also in Zukunft gerade auch für Pendlerinnen und Pendler eine praktische Alternative darstellen“

Ute Bonde |  Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt

Der demografische Wandel macht auch vor dem ÖPNV nicht halt. Zu Beginn des Jahres musste die BVG ihren Takt ausdünnen – es stand schlicht zu wenig Personal zur Verfügung. Sind fahrerlose U-Bahnen, wie sie beispielsweise Nürnberg seit 15 Jahren in Betrieb hat, eine Option für Berlin? 

Mit Sicherheit wird es eines Tages in Berlin fahrerlose U-Bahnen geben. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass alle bisherigen Beispiele für den fahrerlosen Verkehr immer mit dem Neubau von Strecken verbunden waren. So sind die Voraussetzungen für einen sicheren Betrieb immens und mit gewaltigen baulichen und sicherheitstechnischen Herausforderungen verbunden. Ich denke aber, dass eine Neubaustrecke auch für Berlin eine bedenkenswerte Option sein kann.

Wie kann Berlin generell schneller Innovationen ins Verkehrssystem bringen? 

Hier sehe ich die Chance in der noch engeren Verknüpfung mit den Innovationen von Wissenschaft, Technik und Wirtschaft. Wie eigentlich bei allen Themen rund um den Verkehr einer Metropole wie Berlin geht es nur im Miteinander, in enger und guter Zusammenarbeit. Nur so können wir im Ergebnis für uns alle unsere Stadt mobil, effektiv und immer mit Blick auf zukünftige Generationen lebenswert gestalten.

Sie sind nicht nur Verkehrs-, sondern auch Umweltsenatorin. Klassischerweise gilt der Verkehrsbereich als besonders schwer, zu dekarbonisieren. Welchen Beitrag kann der Sektor leisten, um Berlin bis 2045 klimaneutral zu machen?

Gerade weil die beiden Themen Mobilität und Umwelt eine enge Verknüpfung erfordern, ist die Entscheidung, beide unter einem Dach zu vereinen, richtig und wichtig. Denn nur im Miteinander, im gegenseitigen Verstehen der gemeinsamen Ziele und im gegenseitigen Akzeptieren von Notwendigkeiten, können und werden wir für uns alle die Zukunft unserer Stadt lebenswert gestalten.

Welche Themen stehen darüber hinaus ganz oben auf der Agenda der Berliner Umwelt- und Klimasenatorin?

Das Miteinander. So wie die Mobilität ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Großstadt ist, so ist unsere Zukunft und die von nachfolgenden Generationen auf unsere, die Umwelt schützenden und systematisch verbessernden Handlungen angewiesen. Das gut und richtig zu gestalten, gelingt uns nur gemeinsam und mit Respekt. Nur wenn wir die Bedürfnisse aller fair betrachten und nicht gegeneinander, sondern miteinander handeln, werden wir die richtigen Wege für ein auch in der Zukunft umweltfreundliches und lebenswertes Berlin einschlagen.

Viele Dank für das Gespräch!

 

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