Ende der Zettelwirtschaft
Europäischer Gesundheitsdatenraum: Healthcare Lunch zur Digitalisierung von Patientendaten
Text Philip Zettl | Referent Politische Grundsatzfragen
Drei große Herausforderungen im Gesundheitswesen skizzierten Markus Leyck Dieken, scheidender Geschäftsführer der gematik, und Laura Wamprecht, Managing Director von Flying Health: Digitalisierung, Demographie und Nachhaltigkeit. Für alle drei Themen werden dringend mehr Gesundheits-Daten benötigt.
Denn bisher bleiben diese Daten in Deutschland zumeist ein ungehobener Schatz. Von „Zettelwirtschaft“ und „Blindflug bei Diagnostik und Therapieentscheidungen“ sprach Laura Wamprecht. Kein Arzt weiß, was der andere schon gemacht hat, Vorerkrankungen oder bestehende Medikamentenpläne sind neuen Ärzten unbekannt, teure Doppeluntersuchungen werden durchgeführt. Das gleiche gilt für die Forschung und Entwicklung.
Doch es ist Besserung in Sicht: der Europäischer Gesundheitsdatenraum und das deutsche Gesundheitsdatennutzungsgesetz. In Zukunft sollen Daten nach einheitlichen Standards für Versorgung und Forschung zu Verfügung stehen. In Deutschland wurden hierfür die e-Akte und das e-Rezept eingeführt. Ein überfälliger Schritt, wie Markus Leyck Dieken bemerkte: Deutschland sei das 18. Land, dass das e-Rezept eingeführt habe, in Frankreich könnten e-Rezepte schon in fünf weiteren EU-Ländern eingelöst werden und Dänemark habe schon seit fast 15 Jahren eine verpflichtende e-Akte für alle Versicherten. In Deutschland dagegen wird es eine Opt-out-Möglichkeit geben.



„Ein überfälliger Schritt.“
Markus Leyck Dieken, Geschäftsführer der gematik über die Einführung der e-Akte und des e-Rezeptes in Deutschland
Ein Grund: Die Angst der Deutschen vor Datenlecks. Dabei sei Papier nicht zwangsläufig sicherer als die Cloud, erklärte Laura Wamprecht: die Patientenakte beim Arzt könne gestohlen, verbrannt oder durch einen Wasserschaden unleserlich werden. Der Glaube, andere Länder wollten von unseren strengen Sicherheitsstandards lernen, sei ein Irrglaube. Anderen fiele es bei der Digitalisierung leichter als Deutschland, einen Mittelweg zwischen Sicherheit und Pragmatismus zu finden. Deutschland bremse hier bei der Entwicklung des Europäischen Gesundheitsdatenraum.
Außerdem, ergänzte Markus Leyck Dieken, sei der Patient mit einer Papierakte allein gelassen: „Niemand sagt ihnen, dieses Medikament sollten Sie bei ihrer Krankheits-Historie nicht nutzen. Sie helfen aber auch sonst niemanden mit Ihren Daten, zum Beispiel im Rahmen von Studien zur Wirksamkeit von Vorsorgeuntersuchungen.“ BioNTech hätte unter anderem auf Grund mangelnder Datenverfügbarkeit Teile seiner Forschungsabteilung ins Ausland verlegt.
Wie geht es weiter? Markus Leyck Dieken und Laura Wamprecht sind optimistisch und beendeten den Healthcare Lunch mit einem Fußballvergleich: Das Spiel läuft schon und die EU führt 1:0. Sie hat Deutschland gezwungen, sein strenges Digitalgesetz zu ändern, so dass mehr Daten geteilt werden müssen. „Ich glaube“, so der gematik-Geschäftsführer, „dass die EU gewinnen kann.“
Danke an Dr. Harald Hasselmann und den Ausschuss Gesundheit für die Organisation des Healthcare Lunches und an Mazars für die Veranstaltungs-Kooperation.
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