„Kann ja nicht sein, dass wir tolle Planungen haben, aber wir haben keine Bauarbeiter“
Podiumsdiskussion zur Zukunft der Berliner Infrastruktur: Baustellen, Brücken, Baustopp?
Philipp Zettl | Referent Politische Grundsatzfragen
Berlin steht. Nicht nur gefühlt, sondern vielfach tatsächlich – im Stau, vor maroden Brücken, hinter Absperrungen. Die Veranstaltung „Brücken in Not – wie weiter mit Berlins Infrastruktur?“ im VBKI stellte sich dieser Problemlage. In ihrem Impulsvortrag zeichnete Mobilitäts- und Umweltsenatorin Ute Bonde ein realistisches, aber auch handlungsorientiertes Bild: „Der Handlungsdruck wurde von früheren Regierungen nicht wahrgenommen – oder wollte nicht wahrgenommen werden.“
Bonde sieht Berlin vor einer riesigen Aufgabe: Über 850 Brücken unterstehen der Verantwortung der Senatsverwaltung, etwa 120 davon müssen in den nächsten zehn Jahren saniert oder neu gebaut werden. „Wir machen Tempo“, versprach Bonde – und verwies auf schnelle Erfolge: Der Abriss der Wuhlheide-Brücke sei drei Tage nach Sperrung genehmigt worden, nach einem Monat war die neue Verkehrsführung wieder in Betrieb. Auch bei der Ringbahnbrücke im Westend sei man Vorbildliches in Rekordzeit gefahren. Die Grundlage: ein abgestimmtes Vorgehen aller Beteiligten.
In der von Ferdinand Schuster, Vorsitzender des Ausschusses Intelligente Infrastruktur, moderierten Diskussion mit Alexander Kaczmarek (Deutsche Bahn), Ronald Normann (Autobahn GmbH) und Bonde selbst wurde jedoch klar: Tempo allein reicht nicht.
Kaczmarek, Bahn-Konzernbevollmächtigter für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, betonte den enormen Instandhaltungsrückstau: „Wir haben 908 Brücken in Berlin. Von bundesweit 25.000 Bahnbrücken sind 11.000 über 100 Jahre alt, mit entsprechendem Handlungsbedarf.“



Auch Ronald Normann, Direktor der Niederlassung Nordost der Autobahn GmbH des Bundes, machte auf strukturelle Probleme aufmerksam: Zwar seien derzeit 61 Prozent der Berliner Autobahnbrücken in gutem Zustand, aber bei 50 Bauwerken gebe es „intensiveren Prüfbedarf“. Im Gegensatz zu den Korridorsanierungen der Deutschen Bahn sollten Vollsperrungen auf den Autobahnen aber nach Möglichkeit vermieden werden. Denn wie Normann warnte: „Wenn wir den Verkehr aus den Autobahnen in die Kieze leiten, haben wir ganz andere Probleme.“ Dafür brauche es Investitionen – nicht nur finanziell, sondern auch personell. Denn die Zahl der Baufirmen nehme immer weiter ab: „Das ist ein Problem für den Sanierungsstau.“
Bonde warb für eine „gemeinsame Kraftanstrengung“. Ein neues Gesetz soll die Planungs- und Bauzeit um zwei bis drei Jahre verkürzen, indem Berlin seine Vorschriften auf EU-Niveau reduziert: „Wir müssen nicht immer das Krönchen aufhaben.“
Doch bei aller Ambition: Die Abstimmung zwischen den Akteuren bleibt eine Herausforderung. Eine dauerhafte Plattform zur Koordination? Fehlanzeige. Zwar lobten alle Panelisten die funktionierende Kommunikation auf Arbeitsebene, doch wie Kaczmarek nüchtern festhielt: „Dass es nie wieder Überraschungen geben wird, kann hier niemand versprechen.“
Hoffnung macht der technologische Fortschritt. Normann setzt auf Sensorik und digitales Planen. Bonde sieht Potenzial in Künstlicher Intelligenz. Kaczmarek warnt jedoch vor der Illusion, dass Technik alles lösen könne: „Bauen ist körperlich anstrengend. Bei Wind und Wetter. Kann ja sein, dass wir tolle Planungen haben, aber wir haben keine Bauarbeiter.“
Am Ende stand weniger die Frage nach dem „Ob“, sondern die nach dem „Wie“. Klar ist: Berlin braucht neue Wege in Planung, Zusammenarbeit und Baupraxis – und zwar dringend. Die Lösung liegt nicht allein in Innovation oder Geld. Sie liegt im Willen zur Umsetzung – und in der Fähigkeit, auf den Baustellen tatsächlich auch zu bauen.
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