„Minister können auch Ministranten sein“
Foreign Policy Talk zur US-Wahl und ihren Folgen für Europa
Text: Philipp Zettl | Referent Politische Grundsatzfragen
„Oops – they did it again“, schrieb die taz als US-Präsident George W. Bush 2004 wiedergewählt wurde. Mit Blick auf den diesjährigen Wahlsieger Donald Trump, wurde die Schlagzeile womöglich zu früh genutzt, eröffnete Prof. Eberhard Sandschneider, neuer Co-Vorsitzender des VBKI-Ausschusses Internationale Politik und Wirtschaft, die US-Wahlanalyseveranstaltung im VBKI: Wie konnte es zu dieser Wahl kommen und was bedeutet sie für die transatlantischen Beziehungen, wollte er von seinen Gästen, Juliane Schäuble, US-Korrespondentin des Tagesspiegels, und Josef Braml, European Director der Denkfabrik Trilaterale Kommission wissen.
Braml sieht in Deutschland düstere Zeiten anbrechen: „Wir sind blank – und noch schlechter aufgestellt als nach Trumps erster Wahl.“ Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen müsse Deutschland als europäische Führungsmacht agieren – doch stattdessen stünden Neuwahlen auf dem Programm. Dies sei besonders bitter, da mit Putin, Trump und Xi Jinping drei Staatenführer das Weltgeschehen bestimmten, die ihre eigene Agenda klar über dem Multilateralismus setzen: „Wer jetzt noch auf Transatlantik-Blabla macht, hat den Schuss nicht gehört“, so die ebenso pointierte wie ernüchternde Aussicht des US-Experten.
Zumindest einen kleinen Lichtblick für Europa sah Juliane Schäuble bei einigen Kandidaten, die als Mitglieder der Trump-Administration im Gespräch sind. Marco Rubio, als künftiger US-Außenminister gehandelt, besitze internationale Erfahrung, kenne Europa und sei zum Beispiel schon zu Gast auf der Münchner Sicherheitskonferenz gewesen. Doch Braml warnte vor zu viel Optimismus. Die Minister seien nach absoluter Loyalität ausgewählt: „Minister können auch Ministranten sein.“
Und wird es in der Ukraine weiter gehen? Trump hatte angekündigt, den Krieg binnen 24 Stunden zu beenden. Laut Braml wird Trump sich nicht an Putin abkämpfen, sondern Selenskyj vor die Wahl stellen, einen von ihn mit Putin ausgehandelten Friedensvertrag – also mit großen Verlusten für die Ukraine – anzunehmen, oder keine Waffenlieferungen mehr zu erhalten. Laut Schäuble ist der Ukrainekrieg für die USA letztlich ein Regionalkonflikt, der wahre Konflikt droht mit China. Dementsprechend habe Trump bisher nur „China-Falken“ in sein zukünftiges Kabinett berufen. Das Ziel: China noch deutlicher die Stirn zu bieten als Joe Biden, der mit dem Chips Act bereits eine „Kriegserklärung“ ausgesprochen habe.
Die zunehmende Fokussierung auf China, in Sandschneiders Worten „die Rückkehr zu einer bipolaren Welt“, öffnet auch anderen Akteuren die Möglichkeit, Fakten zu schaffen. Israel zum Beispiel: Nach der Schwächung der Hisbollah und der Hamas bliebe dem Iran als letztes Mittel zu Abschreckung nur noch die Forcierung seines Atomwaffenprogramms. Israel, vermutete Braml, könne die Gunst der Stunde – Iran geschwächt und Präsident Biden als „Lame Duck“ – nutzen und seinen größten Feind Iran präventiv angreifen.
Wie soll Deutschland sich unter einem US-Präsident Trump positionieren? „Deutschland muss endlich stärker aufrüsten und damit das tun, was es schon lange ankündigt, tun zu wollen“, riet die US-Korrespondentin. Dem stimmte Braml zu, sprach aber von einem „Butter-Kanonen-Problem“: Viele Deutsche wollten Russland nicht als Bedrohung sehen, das sorge für Probleme bei der Priorisierung: Unter Einhaltung der Schuldenbremse sei es nur möglich entweder an der Butter, also an Dingen wie Bildung und Infrastruktur, zu sparen, um aufzurüsten, oder umgekehrt. Dies stärke am Ende die extremen Rändern.
Zum Abschluss gab Juliane Schäuble nach all den Schreckensnachrichten noch positive Gedanken mit auf den Heimweg: „Das Pendel wird auch wieder in die andere Richtung schwingen.“ Trump habe immer behauptet, er habe nie richtig regieren können. Jetzt habe er dank Mehrheiten in Senat, Kongress und Supreme Court mindestens zwei Jahre Zeit, alle eines Besseren zu belehren. Laufe es nicht gut für ihn, werden die Demokraten bei den Zwischenahlen wieder erstarken. Und: „Die USA sind mehr als nur Washington D.C.“
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